mit ETH Professor Ueli Angst
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Zusammenfassung
In dieser Podcast-Folge diskutiert Johannes Lohner mit dem Korrosionsexperten ETH-Professor Uli Angst zum Thema „CO2-reduzierter Zement“ sowie fortschrittliche Methoden zur Erhaltung von Bauwerken. Sie beleuchten die Herausforderungen und Lösungsansätze im Umgang mit CO2-reduzierten Zementen, die Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit von Beton und die Bedeutung präziserer Diagnosen für die Zustandsbeurteilung von Bauwerken. Der Einsatz von Sensortechnologie zur Überwachung und Verbesserung der Langlebigkeit von Bauwerken wird hervorgehoben.
Transkript
Johannes: Willkommen bei Concretely.
Ich bin euer Host, Johannes Lohner, und ich unterhalte mich mit Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen über den Erhalt unserer Bauwerke. Heute unterhalte ich mich mit Professor Ueli Angst, einem der weltweit bekanntesten Forscher im Bereich der Dauerhaftigkeit von Baumaterialien. Das Thema ist CO2-reduzierter Zement und die Überwachung von Korrosionsprozessen im Beton.
Bevor wir mit Ueli reden, zuerst ein kleiner Exkurs: Wie in der letzten Folge erwähnt, ist Zement für 8 % des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Warum ist das? Ca. 80 bis 90 % der Rohmaterialien bei der Zementherstellung ist Kalkstein, chemisch CaCO3. Bei der Hitze von über 1400 Grad, Temperaturen, die mit erneuerbaren Energien nicht so einfach erreicht werden können, wird aus dem CaCO3, CaO und eben CO2, das dann in die Atmosphäre freigesetzt wird. Es gibt daher viele Bestrebungen, den CO2-Ausstoß von Zement zu reduzieren. Das kann sein:
– den Zementanteil im Beton zu reduzieren, was meistens schwächeren Beton bedeutet,
– weniger zu betonieren oder filigraner zu bauen,
– man könnte CO2-Capturing verwenden, das Problem hier ist aber die Menge an CO2, die entsteht, und das nur ein Teil davon aus der Atmosphäre entzogen werden kann,
– und die meisten Bestrebungen gehen in Richtung, den Zement zu ersetzen: das kann sein mit Schlacke aus der Stahl- oder Eisenherstellung oder Flugasche aus der Kohleherstellung. Beides sind extrem feine Materialien, die im Endeffekt aber auch die Eigenschaften des Betons verändern, z. B. den elektrischen Widerstand, den Frost-Tausalz-Widerstand, aber auch den pH-Wert. Dies kann Einflüsse auf die Dauerhaftigkeit haben. Es gibt übrigens auch noch andere Ansätze wie den LC3-Zement, den wir auch einmal in einer anderen Folge besprechen werden.
Gehen wir etwas auf die Dauerhaftigkeit von Beton ein. Letztes Mal habe ich auch erwähnt, dass Korrosion die Hauptursache für den Betonverfall ist. Laut einer Studie der British Cement Association aus 1997 wurde festgestellt, dass in 3/4 der Fälle Korrosion die Ursache eines frühzeitigen Verfalls bei Brücken ist. Im Beton sind ja Bewehrungseisen eingebaut, die die Zugkraft übernehmen, aber auch für eine Rissverteilung sorgen. Durch den hohen pH-Wert von 12,5 im Beton, welcher durch den Zement entsteht, bildet sich eine Oxidschicht um das Bewehrungseisen und schützt es vor Korrosion. Man sagt auch, dass das Bewehrungseisen passiviert ist. Es gibt jetzt hauptsächlich zwei Faktoren, welche diese Oxidschicht aufheben und zu Korrosion führen können:
– der eine ist der Chlorideintrag: das ist, wenn Chloridionen, bei uns meistens vom Streusalz aus dem Winterdienst, durch flüssiges Wasser oder durch Sprühnebel vom Verkehr in den Beton gelangen. Sobald sie die Bewehrungseisen erreichen, die Chloridionen, ist die Passivschicht lokal aufgehoben, und es kommt zur schnellen und oft nicht sichtbaren Korrosion.
– der andere Faktor ist die Karbonatisierung: hier geht es um die Reduktion des pH-Werts des Betons durch CO2, das gasförmig aus der Atmosphäre eintritt. Das ist vor allem in wärmeren Regionen oder Industriegebieten der Fall.
Wann es aber jetzt genau zu Korrosion kommt, ist um einiges komplexer und hängt neben dem pH-Wert und dem Stahlpotential auch von der Übergangszone zwischen dem Bewehrungseisen und dem Beton ab. Eine zentrale Rolle spielt hier die Porenlösung des Betons. Das heißt, welche und wie viele Ionen vorhanden sind. Ein Thema, an dem Professor Ueli Angst unter anderem mit seiner Forschungsgruppe arbeitet. Seine Forschungsarbeiten könnten helfen, eines Tages die Indizierung der Bewehrungskorrosion früher zu erkennen.
Herzlich willkommen, Ueli.
Ueli: Ja, danke.
Johannes: Die erste Frage, die ich habe: Der nachhaltigere, CO2-reduzierte Zement/Beton verhaltet sich meist schlechter im Bezug auf den Karbonatisierungswiderstand. Warum ist das so?
Ueli: Ja, das ist richtig. CO2-reduzierter Zement hat einen reduzierten Gehalt an einem Mineral, das sich Portlandit nennt. Dieses Mineral ist eben auch dafür verantwortlich, dass es zu hohen CO2-Emissionen kommt bei der Herstellung des Zements, und deshalb haben viele dieser CO2-armen Zemente einfach schlicht einen geringeren Gehalt an diesem Portlandit. Und das führt dann eben dazu, dass der Beton, der aus diesen Zementen gefertigt wird, eine geringere Kapazität hat, den pH-Wert im alkalischen Bereich zu puffern. Und somit kommt es dann eben schneller zu einer pH-Wert-Absenkung, wenn dieser Beton CO2 ausgesetzt ist, und dann hat man eben diese raschere Karbonatisierung.
Johannes: Also das heißt, man hat jetzt ein Problem bezüglich der Dauerhaftigkeit. Kann man da etwas dagegen machen, oder müsste man bei der Einführung etwas genauer untersuchen?
Ueli: Ja, also hierzu ist vielleicht noch wichtig, dass man betont, dass die Dauerhaftigkeit eigentlich nicht zwingend schlecht ist. Denn die Karbonatisierung selbst ist eigentlich nicht direkt ein Dauerhaftigkeitsproblem. Die Karbonatisierung ist deshalb gefürchtet, weil sie eben die Korrosion der Bewehrung auslösen kann. Weil die Korrosion der Bewehrung bei einem abgesenkten pH-Wert eher abläuft als im alkalischen Milieu. Natürlich ist das der Fall, das hat man auch in diversen Fällen gesehen, aber die Karbonatisierung ist nicht der einzige Parameter, der die Korrosion begünstigt, und deshalb ist es zentral, dass wir den Fokus ein bisschen von der Karbonatisierung weg verschieben und zwar zu der Korrosion hin.
Bis anhin wird einfach vereinfacht angenommen: Karbonatisierung führt zu Korrosion. Es gibt aber unzählige Fälle aus der Praxis, die zeigen, dass die Korrosion im karbonatisierten Beton nicht zwingend abläuft. Deshalb müssen wir auch das Augenmerk darauf legen, was eigentlich denn am Ende die Korrosion tatsächlich fördert, und dass man das auch im karbonatisierten Beton durchaus verhindern kann. Dabei spielen Faktoren wie z. B. die Feuchtigkeit im Beton, die Betonstruktur und so weiter, zentrale Rollen. In dieser Hinsicht ist auch aufseiten der Wissenschaft noch viel zu tun. Denn insbesondere die Feuchtigkeit ist relativ schlecht verstanden, also Feuchtetransport im Beton bei bestimmten z. B. zyklischen Expositionsbedingungen und wie diese Feuchte die Korrosion beeinflusst.
Das sind Fragen, die noch geklärt werden müssen. Das kann man durchaus im Labor oder mit numerischen Modellen machen, aber eine Möglichkeit, die bestimmt hier auch sehr aufschlussreich sein könnte, ist der Einsatz von Sensoren, die man auch in echten Bauwerken einbauen kann. Zum Beispiel Bauwerke, die eben mit diesen neuen CO2-armen Zementen hergestellt werden. Denn mittels dieser Sensoren kann man eben relativ rasch erkennen, wie sich diese Werkstoffe in der Realität tatsächlich verhalten, und das muss auch nicht immer gleich sein, wie es rasche Prüfungen im Labor suggerieren. Aber deshalb sehe ich hier Chancen auch mit dem Einsatz von Sensoren, die das Verhalten dieser neuen Werkstoffe besser in den Griff kriegen.
Johannes: Auf die Sensoren würde ich gerne auch genauer eingehen. Nur kurz davor, das heißt, dann müsste hier mehr ins Detail gehen, die Karbonatisierung bezüglich Korrosion genauer verstehen und den Fokus ändern. Also mehr in Richtung Feuchtigkeit, Porenverteilung usw. Heißt das, dass man die heutigen Normen bezüglich Karbonatisierungswiderstand anpassen müsste?
Ueli: Ja, das müsste man zweifelsohne. Denn sonst hat man einen Zielkonflikt. Man kann ja nicht gleichzeitig versuchen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und dann im gleichen Umgang auch noch den Karbonatisierungswiderstand hochzuhalten. Das ist schlicht widersprüchlich. Und deshalb werden wir nicht darum herumkommen, die Normen anzupassen. Allerdings haben wir aktuell noch zu wenige wissenschaftliche Grundlagen, um dies tatsächlich zu tun, und deshalb sind hier mehr wissenschaftliche Forschungsanstrengungen dringend notwendig.
Johannes: Ok, dann wie gesagt, weiter mit den Sensoren. Ein klassisches Beispiel ist ja auch, diese zu verwenden, am Ende der Lebensdauer von Bauwerken. Einerseits z.B., wenn sich der Zustand unerwartet verschlechtert, sodass man die Lebensdauer verlängern kann, damit man die Brücke oder das Bauteil in den nächsten Erhaltungsabschnitt setzen kann. Oder auch, wenn jetzt Sofortmaßnahmen notwendig sind, dass man deren Effektivität genauer überprüfen oder monitoren kann. Was ich gehört habe, von verschiedenen Seiten, ist, dass es schwierig ist, aus den Sensordaten, die ja sehr lokal aufgenommen werden, Aussagen über das ganze Bauteil oder Bauwerk zu machen. Ist dieser Kritikpunkt gerechtfertigt, und was müsste man dabei berücksichtigen bei der Auslese der Daten?
Ueli: Ja, dieser Kritikpunkt ist natürlich berechtigt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Frage von sehr lokalen Daten sich im Ingenieurwesen allgemein stellt. Und zwar nicht nur bei Sensoren, sondern auch bei herkömmlichen etablierten Prüfungen. Man bedenke das Beispiel der Entnahme von Bohrkernen bei einem Bauwerk. Auch hier kriegt man äußerst lokale Informationen. Zum Beispiel, wenn man die Druckfestigkeit, den Chloridgehalt oder die Karbonatisierungstiefe an solchen Bohrkernen ermittelt. Auch dann hat man bestenfalls 5 bis 10 lokale Einzelwerte aus einem Bauwerk, und die Frage, wie man das dann extrapoliert oder auf das gesamte Bauwerk überträgt, stellt sich genau auch bei diesen herkömmlichen Methoden, gleichermaßen wie bei den Sensoren.
Für die Übertragung dieser lokalen Informationen auf das gesamte Bauwerk braucht man dann eben Kontextwissen und auch fundierte materialtechnologische Kenntnisse. Auch Verständnis des Tragwerkverhaltens. Und mit diesem Wissen müssen dann Fachpersonen den Ort der Probenahme oder den Ort des Einsatzes von Sensoren äußerst sorgfältig wählen. Denn nur so kommt man zu zielführenden Informationen. Und eben dies gilt sowohl für Sensoren als auch für die herkömmlichen Messverfahren. Das ist also eigentlich überhaupt gar nichts Neues, und dieser Kritikpunkt, ja, der betrifft nicht nur die Sensoren.
Es gibt vielleicht einige wenige Verfahren, die tatsächlich flächendeckende Informationen liefern können, z.B. die Potentialmessung als zerstörungsfreies Prüfverfahren zur Detektion der Korrosion, ist solch ein Verfahren, oder natürlich die herkömmliche visuelle, also bildbasierte Inspektion, liefert Informationen, die größere Flächen abdecken können. Aber natürlich haben dann auch diese Verfahren wieder ihre Nachteile. So sind sie entweder sehr aufwendig, beispielsweise die Potentialmessung, oder sie sind begrenzt in ihrer Aussagekraft, wie die visuelle Inspektion, die nicht in der Lage ist, Schäden frühzeitig zu detektieren.
Also die Quintessenz: es gibt nicht die eine Lösung, die das Problem erschlägt, sondern am Ende muss man natürlich verschiedene Methoden sinnvoll kombinieren. Und dazu gehören lokale Methoden wie auch solche, die flächendeckende Informationen lesen können.
Johannes: Das heißt, hier werden die Ingenieure und Erhaltungsplaner mehr gefordert. Sie müssen den Einsatz richtig verstehen.
Ueli: Genau.
Johannes: Eine weitere Frage habe ich zur periodischen Datenerfassung. Um eine Gesamtbeurteilung von einem Bauwerk zu machen, fließen sehr viele Einflussparameter ein. Und jedes Bauwerk ist einzigartig. Meinst du, in Zukunft wird es möglich sein, mit technischen und digitalen Hilfsmitteln eine genauere Voraussage über die Dauerhaftigkeit eines Bauwerks zu erstellen, und wenn ja, wie könnte man das machen?
Ueli: Ja, also das ist korrekt, die Gesamtbeurteilung von Bauwerken ist natürlich äußerst komplex. Hier gibt es bestimmt auch für die Zukunft noch bessere Möglichkeiten, und wir sind auch darauf angewiesen, das muss man auch ganz klar sagen. Wir brauchen dringend bessere, schärfere Diagnosen zum Zustand der Bauwerke, von denen wir ja sehr viele haben. Alternde Bauwerke haben wir unzählige, und wir müssen besser diagnostizieren können, wann und in welchem Umfang Instandsetzungsmaßnahmen notwendig sein werden.
Ja, was gibt es denn in Zukunft zu erwarten? Wie können wir hier besser und genauer werden in der Diagnostik? Einerseits gibt es natürlich dauernd Entwicklungen im Bereich zerstörungsfreie Prüfverfahren, kurz ZfP. Insbesondere auch in Kombination allenfalls durch Robotik und Drohnen kann man die Anwendung von ZfP-Verfahren automatisieren, effizienter gestalten und auch die Reproduzierbarkeit verbessern gegenüber der händischen Anwendung. Was natürlich auch diesen „human bias“ reduzieren könnte, also die Subjektivität von Fachpersonen etwas reduzieren könnte.
Also im Kontext der Digitalisierung der Zustandsbeurteilung besteht hier natürlich Potential, bestehen Chancen, dass man besser wird, genauer wird, aber auch hier gibt es natürlich noch viel zu tun, wie man dann von all diesen Messdaten am Ende auch zu einer Aussage gelangt.
Johannes: Wenn man die Daten periodisch aufnehmen würde und aus der Vergangenheit sieht, wie sich das Bauteil verschlechtert, gibt es da Arbeiten oder Untersuchungen, statistische Voraussagen über die Zukunft machen zu können?
Ueli: Ja, das ist genau, was noch ein bisschen fehlt. Zeitreihen von Inspektionsdaten liegen natürlich vor. Die Problematik ist, dass diese Messdaten oft in völlig verschiedenen Datenformaten vorliegen. Es gibt nicht immer standardisierte Verfahren, wie man das Reporting machen muss von Zustandserfassung/Zustandsbeurteilung. Das liegt meist vor in Form von Berichten, z.B. textbasiert oder Pläne und teils auch Daten. Und das zusammenzuführen, damit es eben auch über die Zeit vergleichbar wird, das ist eine der Herausforderungen.
Also, ich denke, wir brauchen am Ende des Tages Workflows, wie man aus diesen Messdaten zu einer Aussage, zu einer Beurteilung kommt. Und wie man die dann eben auch über die Zeit vergleichen kann und daraus dann auch eine Extrapolation oder eine Vorhersage in die Zukunft machen kann. Wir hatten kürzlich an der ETH Zürich eine Dissertation, die einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht hat, also insbesondere die Zusammenführung von Daten zerstörungsfreier Prüfverfahren, welche mit einem Flugroboter am Objekt aufgenommen werden.
Die Zusammenführung solcher Daten auch mit zerstörenden Prüfverfahren und dann auch noch mit physikalisch-chemisch basierenden Modellen, die eine Vorhersage der Beschädigungsprozesse in die Zukunft erlauben. Aber das sind erste Schritte, wie gesagt, es gibt noch viel zu tun in dieser Hinsicht, und ich glaube, da ist auch die internationale Forschungsgemeinschaft stark gefordert.
Johannes: Sehr interessant. Danke, dass du hier warst, und ich hoffe, ich kann in Zukunft ähnliche Gespräche führen.
Ueli: Natürlich, sehr gerne ja.
Johannes: Dann bis bald.
Ueli: Danke. Tschüss.
Johannes: Dankeschön fürs Zuhören. Bitte teile deine Meinung im Kommentarbereich der Folge auf meiner Homepage www.concrete-ly.com. Sehr gerne könnt ihr auch persönliche Erfahrungen oder Beschwerden hinterlassen. Bitte „like“ und teile den Podcast mit deiner Freundin und Kollegen, auch über Spotify oder Apple Music. Übrigens sind die Folgen auf der Homepage auch auf Englisch übersetzt.
Literatur und Referenzen
Literatur:
- British Cement Association – Development of an holistic approach to ensure the durability of new concrete construction, Department of the Environment on Project 38/13/21, BCA, Camberley UK 1997
- Youtube Videos von der ETH Zürich bezüglich Korrosion (Teil 1 von 4)
- Korrosionsbedingte Kosten an Ingenieurbauwerken: ETHZ Research Collection
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