
Zusammenfassung
Prüfinstitute spielen eine zentrale Rolle in der Qualitätssicherung und Werterhaltung von Bauwerken. Aldo Rancati, Leiter der akkreditierten Prüfstelle Tecnotest, gibt im Gespräch mit Johannes Lohner Einblicke in Kontrollprüfungen während der Bauphase und detaillierte Zustandsuntersuchungen bestehender Bauwerke. Dabei wird deutlich: Nur durch präzise Prüfmethoden lassen sich Fehlentscheidungen vermeiden und nachhaltige Instandsetzungskonzepte entwickeln.
Prüfinstitute: Die unsichtbaren Wächter der Bauqualität
Während Kontrollprüfungen dem Auftraggeber garantieren, dass die verwendeten Materialien und Bauweisen den Vorgaben entsprechen, geht es bei Zustandsuntersuchungen darum, Schäden frühzeitig zu erkennen und kostspielige Fehlentscheidungen zu vermeiden. Gerade bei Infrastrukturbauten wie Brücken, Tunneln und Parkhäusern stehen Korrosionsprozesse, Frostschäden und chemische Angriffe durch Chloride im Fokus der Prüfmethoden.
Kontrollprüfungen: Qualität sichern, Schäden vermeiden
Ein zentrales Feld der Prüfinstitute ist die Kontrolle der verwendeten Baustoffe – von Frischbeton, Festbeton, Abdichtungen, Beschichtungen und Strassenbelägen. Dabei gibt es häufige Fehlerquellen, die bei der Bauausführung zu Problemen führen:
- Parkhausböden und Hartbetonbeläge: Die Haftung zwischen Hartbeton und Untergrund ist oft mangelhaft, weil der Beton nicht richtig vorbereitet wurde. Ist der Untergrund zu trocken, saugt er das Wasser aus dem Hartbeton ab. Ist er zu nass, verändert sich das Wasser-Zement-Verhältnis.
- Beschichtungen: PU- oder Epoxidbeschichtungen erfordern eine sorgfältige Untergrundvorbereitung. Unzureichende Haftung oder falsche Feuchtigkeitswerte können zu Ablösungen führen.
- Brücken und Betonstraßen: Kontrollprüfungen zeigen, ob die eingebauten Materialien normgerecht sind und die erwartete Lebensdauer erreicht werden kann.
Die regelmäßige Überprüfung durch Prüfinstitute schützt Bauherren vor Mängeln, die langfristig hohe Sanierungskosten verursachen würden.
Potenzialfeldmessung und nachhaltige Instandsetzung: Korrosion gezielt erkennen
Die Potenzialfeldmessung ist eine zentrale Methode zur Einschätzung der Korrosionswahrscheinlichkeit in Betonbauwerken, ermöglicht aber nur in Kombination mit weiteren Prüfungen eine verlässliche Diagnose. Mit einer Kupfer-Kupfersulfat-Elektrode wird das elektrische Potenzial der Bewehrung gemessen, wodurch sich gefährdete Bereiche identifizieren lassen, ohne Beton freizulegen. In der Praxis zeigen sich oft ähnliche Grenzwerte: Potenziale unter -400 mV deuten fast immer auf aktive Korrosion hin, während Werte über -200 mV meist unkritisch sind. Es gibt aber auch Fälle, wo bei -100 mB starke Korrosion vorhanden ist. Erhöhte Feuchtigkeits- und Chloridbelastungen werden ebenfalls erfasst.
Eine statistische Auswertung der Messergebnisse hilft dabei, die Potenzialverteilung über das Bauteil zu verstehen und kritische Bereiche gezielt zu sondieren. Hierbei werden ergänzende Prüfungen wie Chloridprofile, Karbonatisierungstests und Betonstrukturanalysen durchgeführt, um das Schadensausmaß zu quantifizieren. Die richtige Interpretation ist entscheidend: Ein niedriger Potenzialwert allein bedeutet nicht zwangsläufig aktive Korrosion, da hohe Salzgehalte im Beton ebenfalls negative Potenziale verursachen können, ohne dass bereits ein Korrosionsangriff stattfindet. Besonders in stark beanspruchten Bauwerken wie Brücken, Tunneln oder Parkhäusern zeigt sich, dass eine sorgfältige Kombination aus Potenzialfeldmessung, gezielter Probenahme und statistischer Analyse notwendig ist, um fundierte Instandsetzungskonzepte zu entwickeln.
AAR: Die unterschätzte Gefahr im Beton
Ein immer relevanteres Thema in der Bauwerkserhaltung ist die Alkali-Aggregat-Reaktion (AAR), die zu massiven Schäden führen kann. Ursprünglich als seltenes Phänomen betrachtet, zeigt sich AAR inzwischen vermehrt in älteren Bauwerken, insbesondere in Kombination mit erhöhter Feuchtigkeit oder Chloridbelastung.
Aldo berichtet von Bauwerken, wo der Beton nicht wegen Korrosion, sondern aufgrund von AAR abgetragen werden mussten. Die Reaktion tritt auf, wenn alkalireaktive Gesteinskörnung in Verbindung mit Feuchtigkeit zu Quellreaktionen führt, die den Beton von innen heraus zerstören. Besonders betroffen sind Betonbrücken aus den 1970er-Jahren, bei denen hochalkalischer Beton verwendet wurde. Durch mikrospkopische Analysen, aber auch durch Zugprüfungen an Bohrkernen kann AAR identifiziert werden: Charakteristische Brüche in den Gesteinskörnern weisen auf das Problem hin. Die Rissbilder an der Betonoberfläche ähneln zwar manchmal Schwindrissen, doch durch detaillierte Analysen lassen sich die Ursachen unterscheiden.
Bei Brücken mit AAR kann das Schadensbild tief in die Betonstruktur vordringen. Wenn Zugversuche zeigen, dass erst ab einer bestimmten Tiefe keine Schäden mehr auftreten, kann durch selektiven Betonabtrag eine wirtschaftliche Lösung gefunden werden. Ist die Feuchtigkeitszufuhr jedoch nicht kontrollierbar, wird eine Sanierung schwierig. Hydrophobierungen oder Schutzbeschichtungen können helfen, doch in vielen Fällen bleibt AAR eine der komplexesten Herausforderungen in der Bauwerkserhaltung.
BIM und die digitale Bauwerksdiagnostik – Chancen und Grenzen
Während Building Information Modeling (BIM) zunehmend in Neubauprojekten eingesetzt wird, ist der Nutzen für Zustandsuntersuchungen begrenzt. Tecnotest hat an einem BIM-Pilotprojekt teilgenommen und festgestellt, dass zwar Potenzialfeldmessungen und andere Prüfdaten visuell eingebunden werden können, aber die Interpretation der Messergebnisse entscheidend bleibt. Ein digitalisiertes Modell mit farbigen Markierungen ersetzt keine Fachkenntnisse – besonders nicht bei komplexen Diagnosen wie Potenzialanalysen oder AAR-Bewertungen.
Zusätzlich erfordert die BIM-Integration erheblichen Mehraufwand, was die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme in der Bauwerkserhaltung infrage stellt. Dennoch bietet BIM Vorteile bei der Dokumentation: Werden frühere Prüfungen direkt mit dem Bauwerksmodell verknüpft, können Entwicklungen über die Jahre nachverfolgt und künftige Instandsetzungen besser geplant werden.