mit Experten Stefan Cadosch, ehemaliger SIA Präsident und CEO des KI-Startups keeValue
Zusammenfassung
In dieser Folge spricht Johannes Lohner mit Stefan Cadosch, Architekt, ehemaliger Präsident des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) und heute CEO der Key Value AG. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Gebäudedaten und künstliche Intelligenz (KI) helfen können, Baukosten präziser vorherzusagen und damit Planungs- sowie Investitionssicherheit zu erhöhen. Es geht außerdem um Lebenszyklusanalyse, den Einsatz von digitalen Tools in der Praxis und konkrete Erfahrungen aus der Schweiz. Der Podcast liefert spannende Einblicke für Bauherren, Planer:innen und Entscheidungsträger:innen im Bauwesen.
Die Macht der Gebäudedaten in frühen Projektphasen
Stefan Cadosch beschreibt die große Unsicherheit, mit der Bauherren in frühen Projektphasen konfrontiert sind – oft beruhen erste Kostenschätzungen auf groben Erfahrungswerten. Key Value nutzt eine große Datenbasis abgerechneter Projekte, um Architekt:innen und Planer:innen bereits in sehr frühen Planungsphasen mit präzisen Zahlen zu unterstützen. Statt sich auf breite Schätzspannen zu verlassen, lassen sich mit datenbasierten Tools realistische Werte für Baukosten ermitteln – oft mit einer Abweichung von unter 10 %. Besonders bei Neubauten kann so schon auf der Stufe „Kostenschätzung“ eine hohe Verlässlichkeit erreicht werden. Die Grundlage: möglichst viele reale, gut dokumentierte Gebäudedaten.
KI-basierte Prognosen und Kostensicherheit
Ein zentrales Element des Gesprächs ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zur Baukostenprognose. Die Algorithmen von Key Value werden mit echten Kostenabrechnungen trainiert – nicht mit theoretischen Modellen. So werden typische Überraschungen, z. B. bei Umbauten, bereits in der Datengrundlage berücksichtigt. Das ermöglicht eine erstaunlich hohe Genauigkeit: Bei Umbauten liegt die Prognosegenauigkeit derzeit bei etwa 12–15 %, was deutlich besser ist als herkömmliche Methoden. Ein Mehrfamilienhaus-Projekt, das mit dem Tool kalkuliert wurde, wies in der Realität eine Abweichung von nur 0,3 % auf. Stefan betont: „Der Fluch der ersten Zahl“ – also die erste grobe Kostenschätzung – prägt die Wahrnehmung des Projekts dauerhaft. Genau hier setzt die KI an und liefert belastbare Zahlen schon zu Beginn.
Planungssicherheit durch digitale Werkzeuge
Anhand von typischen Projektphasen erklärt Stefan, wie sich die Genauigkeit von Baukostenschätzungen im Verlauf entwickelt – und wo die Schwächen klassischer Herangehensweisen liegen. Key Value setzt bereits auf der Stufe „Vorprojekt“ an und bringt die Präzision eines detaillierten Kostenvoranschlags frühzeitig ein. So lassen sich Fehlplanungen und teure Projektabbrüche vermeiden. Besonders wertvoll ist das Zusammenspiel mit BIM-Modellen: Die Software zeigt Architekt:innen bei jeder Änderung – etwa beim Einfügen einer Wand – sofort an, wie sich diese auf die Kosten und auf den CO₂-Fußabdruck auswirkt. So entsteht eine ganzheitliche Entscheidungsgrundlage, bei der gestalterische, ökologische und wirtschaftliche Aspekte gleichzeitig berücksichtigt werden können – ein echter Paradigmenwechsel in der Planung.
Lebenszyklusanalyse und Investitionsstrategie
Ein weiteres zentrales Thema ist die Lebenszyklusanalyse. Stefan erklärt, dass der Großteil der Kosten eines Gebäudes nicht bei der Errichtung, sondern über die Jahrzehnte im Betrieb entsteht. Deshalb hat Key Value Tools entwickelt, mit denen alle Kosten – von der ersten Skizze bis zum Rückbau – pro Jahr und Bauelement berechnet werden können. Damit lassen sich nicht nur Sanierungszyklen effizient planen, sondern auch Investitionsentscheidungen strategisch sinnvoll bündeln. Neu ist auch ein Ökobilanzrechner, der CO₂-Auswirkungen mit den tatsächlichen Kosten verknüpft. So lassen sich Varianten vergleichen und eine Balance zwischen Ökologie, Wirtschaftlichkeit und Gestaltung finden – Stichwort „Design to Cost to Ecology“.
Von der Schweiz in die Welt – und die Grenzen datenbasierter Systeme
Im letzten Teil des Gesprächs geht es um die Anwendung und Skalierung der Tools. Die Datenbasis von Key Value ist besonders stark bei Wohn- und öffentlichen Bauten. Für Spezialfälle wie Spitäler oder seltene Gebäudetypen sind die Prognosen schwieriger. Beeindruckend ist jedoch die regionale Differenzierung: Für ein identisches Projekt in Zürich, Bern oder im Tessin liefert das System unterschiedliche, lokal angepasste Werte. Auch die Expansion nach Deutschland ist Thema – mit all ihren Herausforderungen: andere Normen, andere Begrifflichkeiten, andere Baukulturen. Doch je mehr Länder integriert werden, desto besser lernen die Algorithmen. Ziel ist eine Plattform, die international skalierbar ist – immer auf Basis echter Gebäudedaten.